Die Ermittler schlugen am späten Abend zu, wahrscheinlich um Proteste zu vermeiden. Das Haus des Regierungschefs der Hauptstadtregion Delhi, Arvind Kejriwal, war von Polizisten umstellt. Nach einer zweistündigen Befragung wurde der Chief Minister, wie das Amt in Indien heißt, in einem weißen Auto weggefahren. Die Festnahme erfolgte am Donnerstagabend im Zuge eines Korruptionsverfahrens gegen den populären Oppositionspolitiker. Doch eine Parteivertreterin von Kejriwals Aam Aadmi Party (AAP) sprach von einer „politischen Verschwörung“.
Bald wird in Indien gewählt. Im Vorfeld der Mammutwahl, bei der 970 Millionen Menschen an die Urnen gerufen sind, lässt sich ein verschärftes Vorgehen staatlicher Institutionen gegen die Opposition beobachten. „Ein ängstlicher Diktator will eine tote Demokratie schaffen“, schrieb der Spitzenkandidat der Kongresspartei, Rahul Gandhi, in einer Reaktion auf die Festnahme auf X.
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Dabei geht es im Fall Kejriwal um die Liberalisierung des Verkaufs von Alkohol, über den der Staat zuvor ein Monopol ausgeübt hatte. Der Regionalregierung wird vorgeworfen, Privatunternehmen bevorzugt behandelt und Lizenzen gegen Bestechungsgeld vergeben zu haben. Kejriwal und seine AAP weisen die Vorwürfe zurück, die neuen Regeln wurden aber wieder zurückgenommen. Der Chief Minister war mehrfach trotz Vorladungen nicht vor Gericht erschienen. Aus der Partei hieß es, dass Kejriwal die Regionalregierung auch aus dem Gefängnis weiterführen werde. Die AAP regiert Delhi seit dem Jahr 2013, seit 2022 stellt sie auch den Chief Minister im nordwestindischen Bundesstaat Punjab. Ihr Parteisymbol ist der Besen, mit dem sie die Korruption hinwegfegen wollte.
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Regierungskoalition könnte mehr als 400 Sitze gewinnen
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Die AAP gehört auch einer Allianz von Oppositionsparteien unter der Führung der Kongresspartei an. Der Opposition werden wenig Chancen gegen die Dominanz von Ministerpräsident Narendra Modi und seiner Bharatiya Janata Party (BJP) eingeräumt. Den Umfragen zufolge könnte die Regierungskoalition gar ihr Ziel von mehr als 400 Sitzen in der 543 Sitze starken Lok Sabha erreichen, dem Unterhaus des indischen Parlaments. Die Wahl findet zwischen dem 19. April und dem 1. Juni in sieben Phasen statt. Die Auszählung der Stimmen folgt am 4. Juni.
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Schon im vergangenen Jahr hatte die Ermittlungsbehörde den Stellvertreter Kejriwals, Manish Sisodia, und einen weiteren AAP-Politiker verhaftet. Die Kongresspartei wirft der Regierung außerdem vor, die Opposition durch das Einfrieren ihrer Bankkonten durch die Steuerbehörde „lähmen“ zu wollen. Es geht um undeklarierte Bargeldspenden aus den Jahren 2017 bis 2018.
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Auch gegen Rahul Gandhi, den Spitzenkandidaten der Kongresspartei, die über Jahrzehnte die Politik Indiens dominiert hatte, wurden Verfahren angestrengt. Er wurde zu zwei Jahren Haft verurteilt, weil er den Familiennamen „Modi“ beleidigt haben sollte. Das Urteil wurde später vom Obersten Gericht aufgehoben. Die Anhänger der AAP hoffen nun, dass auch im Fall ihres Idols Kejriwal das Oberste Gericht eingreifen könnte. Am Freitag protestierten sie in Delhi gegen die Festnahme des Chief Ministers. Zahlreiche Demonstranten wurden der indischen Presse zufolge festgenommen.
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Darüber hinaus gibt es in Indien weiter Aufregung um „Wahlanleihen“ als Mittel zur Parteifinanzierung. Vor Kurzem hatte Oberste Gerichtshof diese als verfassungswidrig erklärt. Das im Jahr 2017 eingeführte System ermöglichte es den Spendern, anonym zu bleiben, indem sie Anleihen kaufen und dann an die Parteien weitergeben. Den Angaben der State Bank of India zufolge war Modis BJP der größte Empfänger derartiger Spenden. Vor allem Bergbaufirmen, Infrastrukturkonglomerate und Telekommunikationsunternehmen sollen auf diese Weise finanzielle Zuwendungen gemacht haben. Einer der größten Spender war zudem ein Lottounternehmen.
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